HOLZ ODER KUNSTSTOFF?
Ein kurzes Referat zum Thema Hygiene.
EINLEITUNG
Oft hört man, dass Holz zwar das ungleich schönere Material ist, aber Kunststoff in Sachen Hygiene die Nase weit vorne hat.
Nach 2 Jahren intensiver Beschäftigung mit der Materie beschleicht uns langsam ein dringlicher Verdacht: Dieser Diskussion liegt ein nachvollziehbares, aber nichts desto trotz dramatisches Missverständnis zugrunde, und wir finden es ist an der Zeit, eindeutig Position zu beziehen.
KEINE DULDUNG IN DER GASTRONOMIE – ERGO UNHYGIENISCH?
Dass die Profis ausschließlich mit Kunststoff-Brettern arbeiten – das hat sich irgendwann dann auch bis zu Hobbyköchen herumgesprochen und wurde dahingehend interpretiert, dass Kunststoff hygienischer sei.
Eine naheliegende Vermutung, denn zu dieser Sachlage befragte Küchenchefs dürften eben dies als Grund für den auschließlichen Einsatz von Kunststoffbrettern angeben, allerdings ohne die kritische Einschränkung: Hygienischer – im Kontext einer PROFI-Küche.
Und hier liegt der Hund in dieser Debatte begraben:
Was eine berechtige Gültigkeit im Kontext einer Profi-Küche hat, lässt sich nicht ohne Einschränkungen auf private Haushalte übertragen. Eher im Gegenteil, wenn man die Sachlage im Detail betrachtet.
DIE KUNSTSTOFF-VERORDNUNG – LIEBER AUF NUMMER SICHER GEHEN.
Um gleich auf den Punkt zu kommen - die ganze Diskussion nimmt Ihren Ursprung in den Verordnungen der Gesundheitsämter für professionelle Küchen:
Wer Lebensmittel gewerblich für andere Menschen herstellt, hat eine hohe Verantwortung für das Wohlergehen der Gäste und muss mit allen Mitteln sicherstellen, dass die Speisen in hygienisch einwandfreiem Zustand sind - eine vollkommen nachvollziehbare Forderung.
Deswegen ist schon seit einigen Jahren das manuelle Spülen – also das Abwaschen von Hand, mithilfe von Schwamm und Spülmittel – bis auf wenige Ausnahmen generell verboten und es gilt:
Alle Gerätschaften, die in direkten Kontakt mit Lebensmitteln (besonders kritisch: rohes Fleisch) kommen, müssen in der Spülmaschine gereinigt werden, denn nur ab einer konstanten Temperatur von über 65° Grad werden Erreger zuverlässig und wiederholbar abgetötet und die Werkzeuge zumindest auf der Oberfläche hygienisch und sauber.
Das gilt besonders für Schneidebretter:
Wo mit scharfen Klingen gearbeitet wird, entstehen abhängig von Druck und Schärfegrad mehr oder weniger tiefe Schnittfurchen im Schneidebrett, unabhängig ob es Holz oder Kunststoff ist. Bei jedem Schnitt transportiert die Klinge dabei Fasern und Partikel des Schnittguts, die in den Schnittfurchen hängen bleiben und so optimale Lebensbedingungen für Bakterien und potentielle Erreger bilden. Über mögliche Kreuzkontamination mit anderen Lebensmitteln entsteht hier eine reale Gefährdung der Gesundheit mehrerer Menschen.
Schneidebretter aus Holz sind grundsätzlich nicht geeignet für die Spülmaschine: Die Kombination von Hitze und aggressiven Reinigern führt dazu, dass das Holz trocken und spröde wird, die Leimverbindungen lösen sich und selbst massive Holzbretter wölben sich bereits nach wenigen Spülgängen und sind somit nur noch eingeschränkt zu gebrauchen.
Hier offenbart sich ein sehr relevanter Unterschied zwischen Kunststoff und Holz:
Kunststoff kann und muss in die Spülmaschine.
Holz darf nicht in die Spülmaschine, muss aber auch nicht.
DENN: HOLZ IST AKTIV ANTIBAKTERIELL.
Bakterien die über die Messerklinge in das Holz gelangen, werden aktiv - von im Holz enthaltenen und bei jedem neuen Schnitt freigesetzten- Gerbsäuren neutralisiert, welche das Holz innerhalb von wenigen Stunden keimfrei machen.
Zusätzlich wird vermutet, dass das poröse und hygroskopische Holz den Bakterien die Feuchtigkeit entzieht, die sie zum Leben benötigen.
Kunststoff-Bretter haben diese Gerbsäuren nicht: Bakterien & Pilze können sich dort weitgehend unbehelligt ausbreiten und finden in den Lebensmittelresten, die ebenfalls in den Schnittfurchen landen, einen idealen Nährboden.
Kunststoff ist zusätzlich (im Gegensatz zum eher spröden Holz) ein elastisches Material, entstehende Schnittfurchen schließen sich hinter der Messerklinge wieder und schließen Bakterien, Feuchtigkeit und Lebensmittelreste ein und verhindern dadurch, dass Reinigungsmittel und sterilisierende Hitze dort hinkommen, wo sie benötigt werden – somit wirkt die Spülmaschine 100% zuverlässig eigentlich nur auf der Oberfläche.
Und so ergibt sich langsam ein differenzierteres Bild der Sachlage: Bakterien überleben erheblich länger auf Kunststoff-Brettern, die Spülmaschine erreicht die eigentlich kritischen Bereiche nicht wirklich und Schimmel bildet sich in den Schnittfurchen.
Holzbretter sind nach einer gründlichen Reinigung mit heißem Seifenwasser und einem Topfschwamm von Hand nach wenigen Stunden fast vollkommen keimfrei – und bleiben es auch viele Jahre.
VERBOT VON HOLZ IN DER GASTRONOMIE TROTZDEM DURCHAUS SINNVOLL
Die obigen Ergebnisse widersprechen natürlich beim ersten Betrachten der gängigen Praxis in der professionellen Gastronomie: Wenn Kunststoff doch tatsächlich weniger als Material für Schneidebretter geeignet sein soll, und tatsächlich nachweisbar mehr Keime auf Kunststoffbrettern zu finden sind – wieso ist dann Holz verboten und nicht Kunststoff?
Auch hier gilt natürlich: Der Kontext entscheidet. Im hektischen Alltag der Profi-Küche gelten andere Regeln als im beschaulichen Küchenalltag zuhause.
Während der Hobby-Koch nach dem Kochen gewissenhaft sein Brett schrubbt und regelmäßig einölt, haben Profi-Küchen mit häufig wechselnder Belegschaft zu kämpfen. Dazu sind es meist ungelernte Aushilfen, die den Knochenjob in der Spülküche oft nur übergangsweise machen und die mit den geltenden Hygienevorschriften meist nur sehr rudimentär vertraut sind.
Und deswegen macht das Holz-Verbot in Profi-Küchen durchaus Sinn: Kunststoff-Bretter sind zwar nicht perfekt, lassen sich immerhin in der Spülmaschine reinigen und bieten so einen sicheren Prozess mit geringer Fehleranfälligkeit bei wiederholbar befriedigenden Ergebnissen.
Holzbretter müssen wie oben beschrieben von Hand gespült werden und bieten dadurch viel Potential für Ergebnisschwankungen.
+++
FAZIT: ENDLICH ZEIT FÜR EINE ABGRENZUNG
Schneidebrett im Privathaushalt – das spricht FÜR HOLZ:
1. Holz ist ein natürlicher Werkstoff.
Es ist ökologisch und gesundheitlich unbedenklicher, sieht schön aus, riecht angenehm und fühlt sich gut an.
2. Holz lässt sich mit etwas Hintergrundwissen und einer daraus entwickelten Routine problemlos sauber und über Jahre hygienisch halten. Es gibt vermehrt Studien, die sich aus oben genannten Gründen dafür aussprechen, Holz bei der hygienischen Beurteilung in der Lebensmittelverarbeitung Kunststoff zumindest gleichzustellen (http://www.enius.de/presse/972.html).
(Natürlich ist nicht jede Holzsorte gleichermaßen antibakteriell wirksam – Walnuss, Eiche und Kiefer haben hier aufgrund ihres hohen Gerbsäure-Gehalts die Nase vorne.)
3. Kunststoffschneidebretter sind in der Regel deutlich zu klein, um vernünftig daran arbeiten zu können. Da Kunststoffschneidebretter in die Spülmaschine müssen, um hygienisch vertretbar zu werden, müssen sie auch in die Spülmaschinen passen. Die Spülmaschinen für den Privathaushalt sind (im Gegensatz zu Profi-Geräten) für den Einbau in die Standard-Einbauküche genormt und damit allesamt zu klein, um ein vernünftig dimensioniertes Schneidebrett aufzunehmen und zu reinigen.
Schneidebrett im Privathaushalt – das spricht FÜR KUNSTSTOFF:
1. Rohes Fleisch und roher Fisch können mit Erregern belastet sein.
Es ist dadurch auf jeden Fall empfehlenswert, diese Lebensmittel auf kleineren, eher dünnen Kunststoffbrettern zu verarbeiten und diese anschließend in die Spülmaschine zu geben.
2. Aroma-Trennung:
Knoblauch, Zwiebeln und Chili haben bekanntermaßen ein sehr starkes Eigenaroma, das sich bei nicht 100% klar abgegrenzten Arbeitsbereichen leicht auf anderen Lebensmitteln wiederfindet. Auch hier empfiehlt es sich, besagtes Kunststoffbrettchen als abgegrenzten Arbeitsbereich einzusetzen, den man nach getaner Arbeit in der Spülmaschine reinigen kann. Oder man schneidet sensiblere Lebensmittel wie Obst auf einem separaten Brett.
Schneidebrett im Privathaushalt – wie ist es denn jetzt am Besten??
Unsere ganz persönliche Empfehlung:
Am besten arbeitet man an einem schönen großen Arbeitsbrett aus Holz,
das auch bei einem Rettich oder Chinakohl ausreichend Arbeitsraum und Lagerfläche bietet.
An diesem Brett kann man bedenkenlos alle Gemüse verarbeiten.
Reinigung und Pflege von Hand.
Darauf legt man bei Bedarf unsere Schnittstellen.
Für Fleisch und Fisch sollte man sich angewöhnen, separate Arbeitsbretter aus Kunststoff griffbereit zu haben und diese diszipliniert einzusetzen.
Auch bei Lebensmitteln mit eher starken (Knoblauch) oder eher sensiblen Aromen (Obst) lohnt es sich, den Arbeitsbereich abzugrenzen und so die Aromen voneinander getrennt zu halten.
So viel steht fest:
Eine disziplinierte, saubere und klare Arbeitsroutine schmeckt man.
In diesem Sinne - frohes Kochen!